Pflegerat warnt Bundesregierung eindringlich wegen Impfpflicht: „Können es uns nicht erlauben“

Mit sehr deutlichen Worten hat die Präsidentin des Deutschen Pflegerats die Bundesregierung vor Versorgungsengpässen gewarnt, die durch die bevorstehende Impfpflicht für Medizin- und Pflegepersonal entstehen könnten. Man könne es sich eigentlich nicht erlauben, dass auch nur eine einzige Pflegekraft kündigt. Wie prekär die Lage offenbar ist:
Die geplante Impfpflicht für Pflegekräfte könnte zu Versorgungsengpässen führen. Symbolfoto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt
Die geplante Impfpflicht für Pflegekräfte könnte zu Versorgungsengpässen führen. Symbolfoto: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Impfpflicht für Pflegeberufe steht bevor

Es dauert nur noch wenige Wochen, dann soll in ganz Deutschland die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft treten. Bis zum 15. März 2022 müssen Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken Nachweise vorlegen, dass sie geimpft oder genesen sind. Davon ausgenommen werden nur die Personen, die ein Attest vorlegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können.

Pflegerat kritisiert einrichtungsbezogene Impfpflicht: „Versorgungslage wird immer prekärer“

Für Christine Vogler, die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, begeht die Bundesregierung mit der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einen schlimmen Fehler. So warnte Vogler im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vor einer drastischen Verschärfung des Pflegenotstands, die sich letztlich in drastischen Versorgungsengpässen widerspiegeln könnte. „Es gibt so wenig Personal, dass wir uns nicht erlauben können, dass auch nur eine Einzige oder ein Einziger kündigt“, warnte die Präsidentin des Pflegerats und schob nach: „Wenn ungeimpfte Pflegekräfte Tätigkeitsverbote bekommen, wird die Versorgungslage immer prekärer“.

Pflegekräfte werden plötzlich zu Sündenböcken erklärt

Vogler zeigt sich erschüttert vom Umgang mit den Pflegekräften in der Corona-Pandemie. Die Politik habe den Beschäftigten in der Pflege ohnehin nicht unbedingt das Gefühl gegeben, in irgendeiner Form wertgeschätzt zu werden. Unsäglich sei es aber nun, diejenigen zu Sündenböcken zu erklären, die tagtäglich größtmöglichen Einsatz zeigten. „Wir haben von Beginn an Menschen mit Corona gepflegt, egal ob Masken fehlten oder Schutzkittel, auch bevor es eine Impfung gab. Nun werden Pflegende in politischen Debatten dafür verantwortlich gemacht, dass sich das Virus verbreitet“, so Vogler.

Ähnlich sieht es auch die neue Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll. Moll empfindet den Umgang ebenfalls als kritisch und warnte: „die Pflegekräfte könnten das Gefühl bekommen, sie seien die Sündenböcke der Nation“.

Verdi-Chef über Impfpflicht in Pflegeberufen: „Personalmangel wird nur weiter verschärft“

Verdi-Chef Frank Werneke hatte die Pläne einer Impfpflicht aus den gleichen Gründen bereits im November 2021 scharf kritisiert. „Wenn jetzt über eine Impfpflicht nachgedacht wird, führt das nicht dazu, dass signifikant mehr Menschen geimpft werden, sondern dass noch mehr Betroffene ihren Beruf verlassen werden. Das verschärft den Personalmangel in allen betroffenen Bereichen, namentlich in der Pflege und im Gesundheitswesen“, mahnte der Verdi-Chef damals. Gleichzeitig verschärfe die Kehrtwende bei der Impfpflicht das Glaubwürdigkeitsproblem in der Politik, nachdem eine Impfpflicht lange Zeit ausgeschlossen worden war.

Saar-Gesundheitsministerin Bachmann bei Impfpflicht mit 180-Grad-Wende

Zu den Politiker:innen, die ihre Meinung über die (einrichtungsbezogenen) Impfpflicht komplett geändert haben, gehört auch die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU). Am 19. Juli 2021 lehnte Bachmann im Rahmen erster Debatten eine Impfpflicht in Pflegeberufen ab. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (EPD) sagte die Ministerin damals: „Ich glaube, dass wir das auch so hinbekommen“. Mehr dazu unter: „Saar-Gesundheitsministerium gegen Impfpflicht in Pflegeberufen“.

Etwa ein halbes Jahr später hat sich ihre Einstellung nach Verschärfung des Infektionsgeschehens offenbar komplett geändert. So erklärte Bachmann vor einer Woche: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht stellt eine wichtige Schutzmaßnahme für Patientinnen und Patienten sowie für die Beschäftigten dar“. Das entsprechende Statement findet ihr unter: „Gesundheitsminister verabschieden Antrag zur Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen“.

Auswirkungen auf Pflegenotstand werden sich zeigen

Die genauen Auswirkungen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf den bereits vor der Corona-Pandemie bestehenden Pflegenotstand werden sich in den kommenden Monaten zeigen. Klar ist jedenfalls, dass die Pflege eigentlich kaum Reserven besitzt, um weitere Rückschläge zu verkraften. Das zeigen auch unsere Erfahrungsberichte von saarländischen Pflegekräfte aus dem Dezember 2021:

Verwendete Quellen:
– eigene Recherche
– Bericht des „Spiegel“
– eigene Berichte
– Deutsche Presse-Agentur