Oper auf dem Saarpolygon begeistert alle: Warum schwieg die Landesregierung ?

Die Oper am Saarpolygon begeistert das Saarland. Tatsächlich? Denn nach der Premiere blieben Landesregierung und Tourismuszentrale merkwürdig still. Keine Statements, keine Posts auf ihren Social-Media-Kanälen. Wir haben nachgefragt, warum das so war. Eine Spurensuche:
Die "Zauberflöte" auf dem Saarpolygon begeistert zahlreiche Besucher. Opern-Macher Joachim Arnold hofft auf eine Fortsetzung - das Land gibt sich aber (noch) still. Foto: Andreas Noll
Die "Zauberflöte" auf dem Saarpolygon begeistert zahlreiche Besucher. Opern-Macher Joachim Arnold hofft auf eine Fortsetzung - das Land gibt sich aber (noch) still. Foto: Andreas Noll

Spektuläres in 150 Meter Höhe

Wer von diesem Berg herabsteigt, kehrt begeistert ins Tal zurück. Der Berg ist 150 Meter hoch, eigentlich eine Halde. Hoch auf dem Gipfel thront das Saarpolygon. Als Denkmal für den Saarbergbau war es schon spektakulär. Joachim Arnold hat es mit seiner Oper, Mozarts „Zauberflöte“, nun aber in ganz neue Sphären gehoben.

Verzweifelte Ticketsuche per Online-Kleinanzeige. Screenshot: SOL.DE

Riesige Nachfrage – irres Gebot: 999 Euro für zwei Tickets

13.000 Menschen haben das Ereignis insgesamt sehen. Die Nachfrage nach Restkarten war riesig – doch die Mühe genauso zwecklos: Die „Zauberflöte“ war restlos ausverkauft. Dies trieb im Internet bemerkenswerte Blüten: Auf einem Kleinanzeigenportal bot ein St. Ingberter 999 Euro für zwei Tickets. Diese waren ursprünglich ab 39 Euro erhältlich. Seit Sonntag, 24. August, ist die Oper auf dem Saarpolygon erst einmal Geschichte. Alle hoffen auf eine Wiederauflage. Wirklich alle? Dazu später.

200 Tonnen Material auf den Berg geschafft

Nach diesem Sommer wird sich das Saarland wohl in zwei Lager teilen: Die 13.000 Menschen, die das Glück hatten, dieses Mega-Ereignis am Saarpolygon zu erleben. Die Zeugen davon wurden, dass es möglich ist, aus dem Nichts eine Opernarena zu schaffen. Dass es möglich ist, mehr als 200 Tonnen Material auf einen Berg zu transportieren und aus dem stählernen Polygon eine geniale Bühne zu zaubern. Man muss nur die Energie und den Biss haben, eine derart „verrückte“ Idee umzusetzen. Das hat Joachim Arnold („Zeltpalast Merzig“) geschafft. (Zum unserem Artikel über die Premiere der Oper)

Und dann gibt es den Rest der etwa eine Million Saarländerinnen und Saarländer, die die Oper nur aus zweiter Hand erlebt haben. Vornehmlich durch die Bilderflut der Medien sowie auf Instagram & Co. Allein bei SOL.DE wurden die Premierenfotos sagenhafte 250.000 Mal abgerufen – in nur drei Tagen.

Warum diese Zurückhaltung? – Wir haben nachgefragt

So viel Begeisterung war selten im oft krisengebeutelten Saarland. Von hoch oben auf der Halde blickt man beispielsweise auf das Gelände der Ford-Werke, die gerade ihrer Endzeit entgegengehen. Da müsste die Landesregierung doch regelrecht frohlocken. Joachim Arnold den roten Teppich ausrollen und kommunikativ aus allen Rohren feuern. Doch sie tut es nicht.

Das hat uns gewundert. Deshalb haben wir nachgefragt. Bei Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD), der auch für den Tourismus zuständig ist, genauso bei der Tourismuszentrale und bei der Staatskanzlei. Bei allen dreien herrschte bis Dienstag – also vier Tage nach der viel beachteten Premiere – Sendepause. Nichts war zur Aufführung zu sehen. Weder auf Websites noch auf Social-Media-Accounts. Warum also so still?

Ministerium schweigt – Bis nach unserer E-Mail

Jürgen Barke war bei der Premiere – er hat die Oper sogar eröffnet. Doch auf der Website oder den Social-Media-Accounts seines Ministeriums suchten wir tagelang vergeblich nach Hinweisen darauf. Der Minister genoss die Veranstaltung sozusagen schweigend – bis wir diese Woche unsere Anfrage stellten: Warum ist sein Ministerium eigentlich so still? Zwei Stunden nach unserer E-Mail an seine Presseabteilung erschienen dann Posts auf Facebook, Instagram und LinkedIn. Das war am Dienstag (20. August), während die Premiere bereits am Freitagabend (16. August) stattgefunden hatte. Ganze vier Tage später.

„Ich bin ein grundpositiver Mensch“, sagt Joachim Arnold im Gespräch mit SOL.DE. Er glaubt an die Fortsetzung der Oper am Saarpolygon. Foto: Andreas Noll

400.000 Euro Förderung für Oper am Saarpolygon

Ungewöhnlich. Dabei hatte sich Jürgen Barke keineswegs knauserig gezeigt. Die Oper am Saarpolygon unterstützt sein Ministerium mit 400.000 Euro – als kulturelles Leuchtturmprojekt. Man habe für die Posts noch auf Bilder gewartet, hieß es auf unsere Anfrage hin. Der Veranstalter habe sie erst „am gestrigen Dienstag übermittelt“, so ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch. Dabei ist der Veranstalter, also Joachim Arnold, sonst eher von der blitzschnellen Sorte. Unsere Anfrage beantwortete der vielbeschäftigte Opern-Macher innerhalb von zwei Stunden.

Immerhin: Minister Barke lobt die Veranstaltung im offiziellen Statement als „gelungene Inszenierung“. Für ihn war das „eindrucksvolle Bühnenbild, die darstellerischen Leistungen sowie die imposante Kulisse“ ein „bildgewaltiges Gesamtkunstwerk“.

Staatskanzlei: Zurückhaltung bei privaten Veranstaltungen

Die Staatskanzlei verweist zu unserer Anfrage auf das Wirtschaftsministerium. Minister Barke sei „in Doppelfunktion in seiner Zuständigkeit für Tourismus sowie als stellvertretender Ministerpräsident vor Ort“ gewesen, „da die Ministerpräsidentin selbst nicht teilnehmen konnte“.

Auch für die Zurückhaltung auf der Landeswebsite und den Social-Media-Kanälen hat die Staatskanzlei eine Erklärung: „Zu kostenpflichtigen Veranstaltungen privater Veranstalter im Saarland halten wir uns auf den Kanälen des Landes grundsätzlich zurück, auch aus Gründen der Fairness gegenüber anderen privaten Veranstaltern.“ Ausnahmen mache man gelegentlich bei sportlichen Großveranstaltungen wie dem DFB-Pokal-Halbfinale oder der Deutschlandtour.

Land: Fördersumme ist Zeichen der Anerkennung

Außerdem: Mit der Fördersumme von 400.000 Euro habe „die Landesregierung ja bereits anerkannt, dass die Oper besondere Strahlkraft für den Kulturtourismus an der Saar hat“, so eine Sprecherin der Staatskanzlei. Wozu Minister Barke wiederum in seinem Statement ergänzte: „Ich freue mich sehr, dass diese Landesförderung dazu beiträgt, ein überregionales Ereignis zu schaffen, das Kunst und Kultur verbindet und viele Gäste ins Saarland locken wird!“

Die Tourismuszentrale verweist auf Anzeigen, die im Vorfeld überregional erschienen seien. Mit dabei: Die Oper am Saarpolygon. Foto: Lauer

Opern-Macher Joachim Arnold bleibt optimistisch

Joachim Arnold bleibt ohnehin optimistisch: „Ich bin ein grundpositiver Mensch“, sagt er im Interview mit SOL.DE. Die Landesregierung habe „den ersten Aufschlag der Opernfestspiele tatkräftig im Rahmen der Leuchtturmprojekte mit 400.000 Euro unterstützt“. Dafür ist er dankbar. Unzufrieden ist er mit der Unterstützung ohnehin nicht. Auf die Frage, ob aus seiner Sicht eine Chance verpasst wurde, ein unbestrittenes Highlight für das Saarland ins rechte Licht zu setzen, sagt er: „Definitiv: NEIN.“ (Hier geht es zum kompletten Interview mit Joachim Arnold).

Zufrieden äußert er sich auch über die Tourismuszentrale Saar (TZS) und deren Chefin Birgit Grauvogel. Deren kommunikative Stille nach der Premiere war uns ebenfalls aufgefallen. „Ich stehe so gut wie täglich mit der TZS und auch mit Frau Grauvogel in Kontakt“, sagt Arnold, „das klappt alles bestens“.

Na, denn. Den Landesvertretern gesteht er durchaus Lernzeit zu – schließlich hat er etwas komplett Neues aus dem Boden gestampft – beziehungsweise auf die Haldenspitze gesetzt: „Wir lernen jetzt alle gerade, dass quasi über Nacht tatsächlich ein ‚Produkt‘ entstanden ist, das von touristischer Relevanz für das Land sein könnte.“

TZS-Chefin Grauvogel zur Oper: „Was für ein Reiseanlass!“

Birgit Grauvogel, touristische Chef-Vermarkterin des Saarlandes, gibt sich auf unsere Anfrage hin zumindest euphorisch: „Was für ein Reiseanlass! Das Saarpolygon gehört eindeutig mit dieser ‚Zauberflöte‘ zu den europaweit einzigartigen Open-Air-Festspielstätten und kann in der Liga von Bregenz mitspielen.“

Die TZS verweist außerdem auf mehrere Anzeigen zu den kulturellen Leuchttürmen, die im Vorfeld überregional erschienen seien, so im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“, in der „Westdeutschen Zeitung“ sowie im Magazin „FRIZZ“. Selbstbewusst fügt TZS-Sprecherin Susanne Renk hinzu: „Das große Interesse und der frühe Ausverkauf aller Vorstellungen zeigen auch, wie gut diese Premiere am Standort Saarpolygon geplant und vermarktet wurde.“ Auf dem Social-Media-Kanal der TZS findet die Oper allerdings weiterhin nicht statt.

Saar-Grünenchefin Jeanne Dillschneider war mit Ehemann und CDU-Politiker Julien Simons begeisterte Besucherin der Opern-Premiere und postete ihr Erlebnis selbst auf Social-Media – die Landeskommunikation fand sie „nicht so sichtbar“. Foto: Andreas Noll

War Kommunikation doch etwas zu sparsam?

Viel hilft viel. So fand Jeanne Dillschneider die Social-Media-Unterstützung seitens der offiziellen Stellen auch etwas sparsam. Die Landeschefin der Saar-Grünen hatte die Oper zur Premiere besucht und gleich begeistert in den sozialen Medien geteilt. Sie findet: „In den sozialen Medien wurde das Event weniger beworben oder war zumindest bei mir nicht so sichtbar.“ Man hätte im „Vorfeld mehr Werbung von Seiten der Landesregierung machen und die Reichweite online nutzen können, um diverse Zielgruppen anzusprechen.“ Das Land solle die Oper in Zukunft auf jeden Fall weiter fördern, meint die saarländische Grünen-Chefin.

Jürgen Barke, Wirtschaftsminister

Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD): Glaubt, dass sich die Oper „langfristig zu einem wichtigen Ereignis der überregionalen Festspielszene zu entwickeln“ kann. Foto: BockerBredel

Opern-Fortsetzung nur mit Landesförderung

Darauf setzt auch Joachim Arnold. Der jedoch auch klar formuliert: Die Oper wird es nur mit mehr Landesunterstützung weitergeben. Ansonsten war es nur ein kurzer, schöner Sommer am Saarpolygon – er will die „Zauberflöte“ auf keinen Fall so schnell wieder verstummen lassen.

Ob das gelingen wird? „Ich habe keinen Zweifel daran“, sagt Joachim Arnold. Die Landesregierung werde nach diesem Erfolg den richtigen Weg finden, „die Opernfestspiele sowohl für die Menschen vor Ort als auch für auswärtige Besucher mittel- und langfristig als ein Angebot zu etablieren, das für die Zukunftsfähigkeit und das Selbstbewusstsein des Saarlands steht“.

Barke-Zitat: Ein Hoffnungsschimmer für 2025?

Hoffnung kann der Opernmacher vielleicht aus einem weiteren Satz von Minister Barke schöpfen: „Die Opernfestspiele am Saarpolygon werden unseren Kulturstandort noch deutlicher auf der Landkarte der Großregion platzieren und haben das Potenzial, sich langfristig zu einem wichtigen Ereignis der überregionalen Festspielszene zu entwickeln.“ Langfristig – das klingt zumindest nicht nach nur einem kurzen Opern-Sommer.

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Verwendete Quellen:
– eigene Recherche